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Im April 2009 hat das Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie (BMVIT) das Ludwig Boltzmann Institut für Menschenrechte (BIM) damit beauftragt, einen Entwurf zur Änderung des Telekommunikationsgesetzes auszuarbeiten, durch den die Vorratsdatenspeicherungs-Richtlinie in Österreich umgesetzt werden soll. Aufgrund dieser Richtlinie müssen alle Internet- und Telekom Serviceprovider Europas die Verbindungsdaten zu sämtlichen Kommunikationsvorgängen für einen Zeitraum von 6 Monaten bis 2 Jahren speichern. Das bedeutet, dass künftig unabhängig von einem konkreten Verdacht auf rechtswidriges Handeln vom Provider aufgezeichnet werden muss, wer mit wem wann wie lange kommuniziert (betrifft Telefon, SMS bzw. MMS und E-Mail). Das beinhaltet auch die Standortinformationen bei mobilen Endgeräten sowie die Information, welcher Teilnehmer wann eine Internetverbindung hergestellt hat; wodurch die Anonymität im Internet bzgl. der Anschluss-Inhaberinnen faktisch aufgehoben wird. Inhalte dürfen (noch) nicht gespeichert werden.
Die Vorgehensweise des BMVIT, ein Menschenrechtsinstitut mit der Ausarbeitung eines Gesetzesentwurfs zu beauftragen, ist freilich untypisch. Umso mehr, als das BIM bereits früher und auch anlässlich der Beauftragung klar und öffentlich kommuniziert hat, dass es diese Richtlinie für unvereinbar mit der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) hält. Basierend auf der Intention des Bundesministeriums, diese an sich problematische Richtlinie in einer Weise umzusetzen, die den Eingriff in Grundrechte möglichst gering hält und dabei größtmögliche Rechts- und Datenschutzvorkehrungen vorsieht, hat das BIM schließlich die Entscheidung getroffen, diesen Spagat dennoch zu vollziehen und einen Entwurf auszuarbeiten - und zwar in einem transparenten Prozess unter möglichst breiter Einbindung von Vertretern der Zivilgesellschaft. Dass damit die grundrechtlichen Bedenken gegenüber der Richtlinie nicht aus der Welt geschafft werden, hat auch das BIM von vornherein klargestellt.
Seit Freitag den 20.11.2009 ist der Entwurf des BIM nun öffentlich als Ministerialentwurf in Begutachtung, der innerhalb der Regierungskoalition allerdings noch umstritten ist. Erste öffentliche Reaktionen aus Justiz- und Innenministerium zeigen Begehrlichkeiten nach Zugriff auf die Daten, welche über die enge Zweckbindung für die Aufklärung schwerer Straftaten hinausgehen, insbesondere für präventive Zwecke.
Das Wiener Zentrum für Rechtsinformatik nimmt diese Entwicklung zum Anlass, um in Form einer Podiumsdiskussion eine möglichst breite und öffentliche Debatte über Sinn, Nutzen und gesellschaftliche Auswirkungen des Datensammelns auf Vorrat zu eröffnen. Dieses Thema betrifft wie kaum ein anderes beinahe alle Menschen in Europa. Das WZRI hat bewusst das von protestierenden Studenten besetzte Audimax der Universität Wien als Forum gewählt. Einerseits weil dadurch die Öffentlichkeit der Diskussion potenziert ist. Andererseits zeigt gerade die Vernetzung der protestierenden Studierenden über moderne Kommunikationsinstrumente, dass hier gleichsam das zentrale Nervensystem der Wissensgesellschaft betroffen ist. Die hier angekündigte Veranstaltung bildet überdies den Abschluss eines Themennachmittages im Audimax zum Thema neue Medien, Web 2.0 und Informationsgesellschaft, welcher im Rahmen der Studierendenproteste organisiert wird.
Die Organisatoren freuen sich auf spannende Diskussionen am Puls der Zeit und hoffen auf zahlreiche Beteiligung und ein reges Interesse der österreichischen Zivilgesellschaft.
Doris Liebwald, Friedrich Lachmayer & Erich Schweighofer Erich Schweighofer
Co-Organisatoren WZRI Roundtables Obmann, WZRI