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EU-Wahl: Wie sich die europäischen Parteien zur Digitalisierung positionieren

In Vorbereitung auf die bevorstehenden EU-Wahlen im Juni haben wir uns einen Überblick verschafft, um Einblicke in die Meinungen, Ziele und Pläne der sieben im EU-Parlament vertretenen Fraktionen zu erhalten.

Sehr viele Regelungen und Gesetze, die das Internet und die Digitalisierung betreffen, werden mittlerweile auf EU-Ebene ausgearbeitet und beschlossen, dem Spielraum bei der nationalen Umsetzung sind meist sehr enge Grenzen gesetzt. Die zukünftigen Entscheidungen der EU-Institutionen zu diesen Themen werden also nicht nur für die weitere Entwicklung der Europäischen Union ganz wesentlich sein, sondern auch sehr konkrete Auswirkungen auf die digitale Zukunft in Österreich haben.

Wir haben die relevanten Standpunkte zu Internet- und Digitalisierungsthemen gesammelt, welche von den Fraktionen im Hinblick auf die EU-Wahlen publiziert wurden. Da nicht jede der sieben Fraktionen ausführliche Standpunkte zu den für uns relevanten Themen bereitstellt, wurde in einzelnen Fällen auch auf Beiträge der jeweiligen europäischen Mutterparteien zurückgegriffen. An den entsprechenden Stellen wird darauf noch einmal explizit hingewiesen.

Dieser Artikel soll damit einen Überblick über die digitalpolitischen Schwerpunkte der EU-Fraktionen bieten, die im Vorfeld der EU-Wahlen von Bedeutung sein können. Die Reihenfolge richtet sich nach der derzeitigen Anzahl an Abgeordneten im europäischen Parlament: EVP, S&D, Renew, Grüne/EFA, ID, ECR, GUE/NGL.


EVP: Fraktion der Europäischen Volkspartei (Christdemokraten)

EVP Logo

Die EVP möchte sich angesichts ihrer veröffentlichten Prioritäten vehement für digitale Weiterentwicklung einsetzen, um Innovationen voranzutreiben und somit Europa als Wirtschaftsstandort zu stärken. Dabei legt sie großen Wert auf den umfassenden Ausbau einer sicheren digitalen Infrastruktur (Investitionen in Hochgeschwindigkeitsinternetanschlüsse) und strebt an, den europäischen Binnenmarkt durch den Abbau von Barrieren und das Vorantreiben der Digitalisierung an das 21. Jahrhundert anzupassen. Hierbei soll vermehrt auf harmonisierte Regelungen zwischen den Mitgliedstaaten zurückgegriffen werden, jedoch ohne Überregulation, um weiterhin wettbewerbsfähig zu sein.

Für die Förderung im Bereich von KI fordert die EVP die Schaffung einer zentralen Anlaufstelle, um Ressourcen und Fachwissen bündeln zu können. Dabei soll sichergestellt werden, dass KI ethischen Standards entspricht, Innovationen fördert und hochwertige Arbeitsplätze schafft. Investitionen in künstliche Intelligenz und Robotik sollen unterstützt werden.

Des Weiteren spricht sich die EVP, angesichts der digitalen Entwicklungen, für die Modernisierung von Rechtsvorschriften und einer Aktualisierung der EU-Grundrechtecharta aus und fordert die Betrachtung von Cybermobbing als Straftat. Außerdem setzt sie die EVP für eine Vernetzung aller europäischen Sicherheitsdatenbanken ein, damit bei grenzüberschreitenden Ermittlungen keine Informationen mehr verloren gehen. Zur Bekämpfung von Cyberangriffen und zum Schutz kritischer Infrastruktur strebt die EVP die Schaffung einer voll einsatzfähigen europäischen Cyberbrigade an.

Damit KMUs bei Digitalisierung und Innovation mehr unterstützt werden, soll nach dem Grundsatz “think small first” gehandelt werden. Die Anwendung von KMU-Tests soll ein gründer- und KMU-freundliches Umfeld schaffen. Die EVP will außerdem die Einführung der Telemedizin in ländlichen Gebieten und den Einsatz von Technologien zur Entwicklung “intelligenter” Städte vorantreiben. Mehr digitale Lösungen sollen z. B. auch in der Landwirtschaft eingesetzt werden, damit Bürokratie abgebaut wird. Die EVP setzt sich zudem für die Aufstockung des europäischen Übergangsfonds, um Menschen, die ihren Arbeitsplatz aufgrund des digitalisierungs- und globalisierungsbedingten Strukturwandels verlieren, zu helfen. Weiterhin will die EVP, dass eine faire Digitalsteuer in Europa eingeführt wird.

Beim Kampf gegen Fake News und Sicherstellung des Zugangs zu hochwertigen Informationen sollen Soziale Netzwerke mehr Verantwortung übernehmen und zusammen mit Journalistenverbänden die inhaltliche Überprüfung verstärken. Gleichzeitig sollen die digitalen Kompetenzen der Bevölkerung gefördert werden.


S&D: Fraktion der Progressiven Allianz der Sozialdemokraten im Europäischen Parlament

S&D Logo

Im Rahmen des Breitbandausbaus setzt sich auch die S&D für einen flächendeckenden, hochwertigen Internetzugang ein, welcher unabhängig von Faktoren wie Wohnort oder Einkommen gewährleistet sein soll. Darüber hinaus strebt sie die Bereitstellung digitaler öffentlicher Dienstleistungen an. Ein Investitionsplan für Digitalisierung, Ausbau der digitalen öffentlichen Infrastruktur und der digitalen Bildung wurde veröffentlicht.

Bezüglich KI erwähnt die S&D in ihren Prioritäten, eine transparente Nutzung von KI-Systemen grundsätzlich zu befürworten, jedoch nur unter uneingeschränkter Achtung der Grundrechte, mit strengen Regeln und zusätzlicher menschlicher Überwachung. Sie betont hierbei also deutlich die Sicherstellung einer ethischen und rechtskonformen Nutzung, damit der Einsatz von KI im Einklang mit den Werten und Prinzipien der EU steht. Darüberhinaus setzen sie sich für technische Unterstützung für Landwirte ein, damit diese den Übergang zu umweltfreundlichen Anbaumethoden erreichen.

Investitionen in Forschung und Produktion innerhalb der europäischen Union sollen dazu führen, globaler Technologieführer zu werden. Damit einhergehend liegt ein Schwerpunkt auf der europaweiten Förderung digitaler Kompetenzen, sowohl im schulischen Kontext für Kinder und Jugendliche als auch im Rahmen des lebenslangen Lernens für Erwachsene. Wichtig ist ihnen auch die Bekämpfung von Telefon- und Internetbetrug (besonders bei älteren Menschen). Zudem soll die Ausbildung von Fachkräften in digitalen Berufsfeldern und besonders die Beteiligung von Frauen in diesen Gebieten verstärkt werden.


Renew Europe Group

Renew Europe Logo

Auch die Renew Europe Group setzt sich für einen flächendeckende Verfügbarkeit von schnellem und sicheren Internet ein. Außerdem strebt sie das Ziel an, eine EU-Forschungsquote von 3% des BIPs zu erreichen und verstärkt Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen im Bereich der Digitalisierung und neuer Technologien zu fördern. Um eine effiziente Nutzung der Ressourcen sicherzustellen, sollen Forschungsaktivitäten auf EU-Ebene gebündelt werden, um unkoordinierte nationale Ansätze zu vermeiden.

Die Renew Europe Group befürwortet den verstärkten Einsatz von Künstlicher Intelligenz, jedoch stets unter Berücksichtigung der europäischen Werte und der Sicherheit. Darüber hinaus soll der Regulierungsfokus auf dem Europäischen Binnenmarkt liegen, um einheitliche Standards zu schaffen und nationale Alleingänge zu vermeiden. Zudem fordert Renew eine europäische Strategie für einen Datenbinnenmarkt, um ein Höchstmaß an Sicherheit gewährleisten zu können. Darüber hinaus soll ein geeignetes Umfeld zur Beschleunigung der Digitalisierung des öffentlichen Sektors, z. B. des Gesundheitswesens geschaffen werden.

Die Renew Europe Group möchte ein einheitliches digitales Meldeportal errichten, auf dem Unternehmen relevante Informationen über ihre verschiedenen Meldepflichten finden und alle Berichte einreichen können. Doppelarbeit soll dadurch vermieden und der Verwaltungsaufwand reduziert werden. Sie fordern außerdem die Umsetzung des "Digital-first"-Prinzips zur Förderung des Potenzials digitaler Technologien zur Erleichterung in Bereichen der öffentlichen Verwaltung, des Zahlungsverkehrs und bei Finanzierungsprozessen. Sie erwarten sich auch mehr Energieeffizienz durch digitale Lösungen und fordern eine Vereinfachung, Verkürzung und Beschleunigung der Digitalisierung von Lizenzierungs- und Genehmigungsverfahren für Projekte im Bereich der erneuerbaren Energien in den EU-Mitgliedstaaten.

Insgesamt soll ein sicheres Onlineumfeld geschaffen werden, in dem vor Desinformationen geschützt wird. Dafür sollen neue digitale Vorschriften geschaffen werden, der EU-Verhaltenskodex für Desinformation und ein europäischer “digital Watchdog”.

 


Grüne/EFA: Fraktion der Grünen/Freie Europäische Allianz

Grüne EFA Logo

Die gesammelten Informationen über die Grüne/EFA wurden sowohl auf der Internetseite der Fraktion als auch in Beiträgen der Europäischen Grünen Partei gefunden. Dieser Ansatz wurde gewählt, um einen umfassenderen Einblick zu gewährleisten, da ihre Werte und Ziele weitgehend übereinstimmen.
Die Grüne/EFA betonen nach wie vor die Bedeutung der Netzneutralität und wollen keine Aufweichung dieser, mit der Begründung, dass Internetanbieter nicht die Entscheidungsmacht haben sollen, bestimmte Daten mit z. B. schnellerem Service oder höherer Qualität zu privilegieren. Sie unterstützt die Idee, Wissen als Gemeingut zu betrachten und setzen sich im Einklang dazu für die freie Zugänglichkeit von Open Government Data ein, um Innovationen in Forschung und Medizin zu fördern.

Ein weiterer Fokus liegt auf verstärkten Investitionen im Bereich des lebenslangen Lernens, unter anderem auch um etwaige negative Folgen der Implementierung von KI einzudämmen. Dennoch soll die EU eine führende Rolle in der Digitalpolitik und KI spielen, solange die Menschenrechte respektiert und klare Regeln zur Nutzung und Entwicklung festgelegt werden. Technologien, welche gegen diese Rechte verstoßen oder sie eingrenzen, sollen verboten werden. Sie vertreten die Meinung, dass künstliche Intelligenz für die Menschen, die Gesellschaft und den Planeten arbeiten muss, nicht für Überwachungsstaaten oder den Kapitalismus. Eine KI-Überwachung von Arbeitnehmern darf es keinesfalls geben. Sie fordern eine Verstärkung der Cybersicherheit, damit KI-basierte Hackerangriffe verhindert werden, der Schwerpunkt soll hierbei auf dem Schutz kritische Infrastruktur liegen. Sie setzen sich außerdem für eine transparente Entwicklung und Nutzung von KI-Systemen ein, Deepfakes und Chatbots müssen klar als solche gekennzeichnet werden.

Um die Rechte der Konsument:innen offline und online gleichermaßen durchzusetzen, setzen sie sich für eine größere Verantwortung der Online-Marktplätze und eine erweiterte und koordinierte Genehmigungs- und Prüfverfahren durch die Zoll- und Marktaufsichtsbehörden ein.

 


ID: Fraktion Identität und Demokratie

Identität und Demokratie Logo

Die ID haben bisher [Stand 13.05.2024] keine aussagekräftigen Standpunkte zu den für uns relevanten Themen veröffentlicht.


ECR: Fraktion der europäischen Konservativen und Reformer

ECR Group Logo

Die ECR setzt sich für die Schaffung eines neuen Rechtsrahmens, der die digitale Welt versteht und nicht behindert, ein. Sie fördern außerdem das digitale Unternehmertum und wollen Investitionen in Spitzentechnologien wie KI, 5G/6G, Quantencomputer und andere ankurbeln. Um Innovationen voranzutreiben soll der übermäßige Verwaltungsaufwand bekämpft werden, besonders im Bereich von KI.

Die ECR will ein sicheres Internet, das nicht auf staatlicher Kontrolle beruht. Sie spricht sich eindeutig gegen die Vorschläge aus, das Internet zu de-anonymisieren und die Identifizierung der Nutzer:innen durch eID-Systeme zu verlangen. Des weiteren setzt sie sich für den Schutz der Meinungsfreiheit im Internet vor übereifriger Überwachung und Zensur ein. Sie fordert, dass Meinungen, die nicht dem Mainstream angehören, nicht als Hassreden abgestempelt werden.


GUE/NGL: Fraktion Die Linke im Europäischen Parlament

Europäische Linke Logo

Die Linke setzt sich für eine auf Menschen ausgerichtete Entwicklung von KI ein, die im vollen Einklang mit den gesetzlich verankerten Grundrechten steht und das Ziel haben soll, Fairness und Nachhaltigkeit zu fördern. Wirksame Regulierungen von KI sollen in das EU-Recht aufgenommen werden. Besonders betont sie die Notwendigkeit eines europaweiten Verbots von Gesichtserkennungstechnologien in öffentlichen Räumen, da diese fehlerhaft, diskriminierend und anfällig für Identitätsbetrug seien. Des Weiteren lehnt Die Linke den Einsatz von KI in Militär- und Verteidigungsprojekten strikt ab und setzt sich für eine umfassende Regulierung autonomer Waffensysteme und Cyberkriegsführung ein. Darüber hinaus sollen Auswirkungen von KI auf die Arbeitswelt und die Sozialsysteme berücksichtigt und mögliche diskriminierende Anwendungen von KI ausgeschlossen werden.

Kritisch betrachtet Die Linke außerdem die „Digitalisierungsbesessenheit“ der EU, da sie hauptsächlich großen Unternehmen zugutekomme und Forschungsergebnisse unter anderem auch für militärische Zwecke genutzt werden könnten. Stattdessen plädiert Die Linke für eine verstärkte Investition des öffentlichen Sektors in Technologieforschung, insbesondere zur Unterstützung von Unternehmensgründungen durch vereinfachte arbeits- und steuerrechtliche Rahmenbedingungen.

Des Weiteren setzt sich Die linke gegen digitale Ausgrenzung ein und fordert eine kontrollierte Einführung von digitaler Technologie im Bildungsbereich, die die Arbeit von Lehrern respektiert und aufwertet. Eine Verschärfung sozialer Ungleichheiten soll vermieden und negative Umweltauswirkungen begrenzt werden.