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10 Fragen an BM Dr. Margarete Schramböck

(c) BMDW/Ch.Lendl

Mit der neuen Regierung haben sich im Dezember letzten Jahres auch die Zuständigkeiten einiger Ministerien verändert. Erstmals wird der Bedeutung der Digitalisierung in Österreich durch ein eigenes Ministerium – übrigens eine seit vielen Jahren bestehende Forderung der ISPA – Rechnung getragen. Wir haben das zum Anlass genommen, die Bundesministerin, die auf eine langjährige Karriere in der IT- und Telekom-Branche zurückblicken kann, um die Beantwortung von zehn Fragen rund um das Thema zu bitten.

1. Ihr Ressort ist unter anderem für Digitales zuständig, das bmvit für Innovation und Technologie. Wie sieht die Aufgabenteilung konkret aus?

 Dies lässt sich bildlich einfach beschreiben. Während das Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie (BMVIT) die „Hardware“ – wie Forcierung von Breitbandausbau und 5G – stellt, sind wir als BMDW dafür zuständig, dass auf einer stabilen und modernen Infrastruktur entsprechende Services umsetzbar sind. Wir sorgen somit sozusagen für die „Software“. Hier werden wir mit einer entsprechenden Digitalisierungsstrategie für Österreich, einem Maßnahmenplan für eine schrittweise Umsetzung und einer gesamtstaatlichen Koordination bzw. Bündelung des IT-Know-hows unter kooperativer Einbindung der Länder und Gemeinden an der stetigen Weiterentwicklung der digitalen Transformation arbeiten. Unser Ziel ist es, Digitalisierung als Motor für Wirtschaft und Gesellschaft und zum Wohle aller einzusetzen.  

2. Welchen Stellenwert hat aus Ihrer Sicht die digitale Wirtschaft in der Gesamtwirtschaft bzw. welche Bedeutung hat die Digitalisierung an sich für das Wirtschaftswachstum?

 Die Digitalisierung ist zweifelsohne ein wesentlicher Wirtschaftsfaktor für die gesamte Volkswirtschaft. Wirtschaft ohne Digitalisierung funktioniert nicht mehr, und ein Standort ohne leistungsstarke digitale Infrastruktur kann sich nicht erfolgreich entwickeln. Vorrangige Ziele sind die Verbesserung bestehender Rahmenbedingungen, um digitale Innovation und Technologietransfer in der Wirtschaft zu ermöglichen. Für Österreich gilt es, die Digitalisierung vor diesem Hintergrund aktiv als Chance zu nutzen, indem wir uns international als Vorreiter positionieren. Das bedeutet auch, in die Digitalisierung zu investieren, um künftig international ganz vorne mit dabei zu sein. Nur damit können wir Beschäftigung und Wohlstand nachhaltig entwickeln. Wir wollen dabei Bürgerinnen und Bürger sowie die Unternehmen auf dem Weg in die digitale Zukunft begleiten und ihnen die Potenziale, die im Digitalen Wandel liegen, vor Augen führen. 

3. Was sind Ihrer Ansicht nach die Projekte, die im Bereich Digitalisierung am dringendsten verwirklicht werden müssen, und welche werden Sie als erstes angehen?

Wir haben mit unserer Arbeit zügig begonnen und sind bei etlichen prioritären Projekten eigentlich schon mitten in der Umsetzung. Auf politischer Ebene haben wir bereits im Februar den Startschuss für den Aufbau der Plattform österreich.gv.at gegeben, mit der wir einen Bürger/innen- und unternehmenszentrierten Zugang zu elektronischen Informationsangeboten bieten wollen und schrittweise die wichtigsten Behördengänge auf dem Smartphone bündeln werden. Unser Ziel ist es vom E-Government zum M-Government zu kommen. Ein erster Prototyp wird heuer noch vorgestellt, der Betrieb der Plattform soll im 1. Halbjahr 2019 erfolgen und auch unter Bürgerbeteiligung stetig weiterentwickelt werden. Digitalisierung ist jedoch mehr als der Ausbau von Anwendungen für Bürger/innen und Unternehmen. Wir wollen beide Zielgruppen zukunftsfit machen und den digitalen Wandel proaktiv begleiten. Als eine Säule wollen wir den Pakt für digitale Bildung ins Leben rufen, mit dem Aktivitäten unterstützt werden, die digitale Basiskompetenzen in mobiler Internet-Nutzung vermitteln – es geht primär darum, zukunftsfähige Fertigkeiten zu entwickeln und so erworbene digitale Qualifikationen in Arbeitsplätze umzuwandeln. Als Schwerpunkt 2018 zielt unsere Initiative Fit4Internet (F4I) als digitale Bildungs-Drehscheibe des Paktes darauf ab, mittelfristig Trainingsangebote für drei Fokusgruppen zu fördern: Jugendliche, Berufstätige 45+ und Senior/innen 60+.

Für Unternehmen werden wir die Initiative Fit4Digital umsetzen. Mit einem digitalen Förderprogramm für KMUs gemeinsam mit der Wirtschaftskammer Österreich und einem Digital Readiness Check möchten wir im Rahmen des KMU-Digital Pakets Österreichs Klein- und Mittelbetriebe dabei unterstützen, in einer digitalen Welt international wettbewerbsfähig zu bleiben. Weiters planen wir eine Infoline, die Unternehmen insbesondere bei der Umsetzung der aus der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) resultierenden Pflichten berät. Im Rahmen der Lehrlingsausbildung wollen wir ebenso Ausbildungsschienen für digitale Berufe forcieren. Wir wollen ein starker Partner der österreichischen Unternehmen sein und diese so begleiten, dass sie sich auf ihre Kernkompetenzen konzentrieren können. 

Weiters werden wir die elektronische Unternehmensgründung (E-Gründung) ausbauen. Einzelunternehmen und Einpersonen-GmbHs können bereits digital gegründet werden. Dafür haben wir erst kürzlich den eAward 2018 erhalten. Eine Online-Unternehmensgründung soll künftig aber auch unter Einbindung des Notars möglich sein. Dabei wird derzeit auch die Möglichkeit der Direkteintragung im Firmenbuch durch die Notare evaluiert. Parallel dazu arbeiten wir daran, die zahlreichen Informationsverpflichtungen der Unternehmen zu reduzieren. Nach dem ‚Once Only’-Prinzip sollen zu meldende Unternehmensdaten nur mehr an einer Stelle abgegeben werden müssen. Vordringlich ist weiters das breite Thema des Skills-Ausbaus, um alle Menschen fit für das Internet zu machen.

Bundesministerin Margarete Schramböck beim Interview
(c) BMDW/Ch.Lendl

4. Wettbewerbsverzerrungen zwischen Online-Plattformen und nationalen Unternehmen sorgen immer wieder für Diskussionen. Es wird beispielsweise kritisiert, dass sich die großen internationalen Player aussuchen können, wo sie ihre Steuern zahlen, dass nationales Arbeitsrecht durch Scheinselbstständigkeit unterlaufen wird oder dass nationale Telekom-Anbieter einem strengeren Datenschutz-Regime unterliegen als Plattformen. Sehen Sie diesbezüglich im Bereich des Steuer-, des Arbeits- oder des Datenschutzrechts die Notwendigkeit zu handeln? Im Regierungsprogramm wird in diesem Zusammenhang von einer Forcierung der „digitalen Betriebsstätte“ gesprochen. Wie sehen hier die Pläne konkret aus?

Digitalunternehmen wie Amazon, Facebook, Google und Co leiten ihre Gewinne in Niedrigsteuerländer um. Hier müssen wir unser geltendes Steuersystem anpassen. Es kann nicht sein, dass Unternehmen, die keine physische Präsenz in dem Land erfordern, in dem die Waren und Dienstleistungen verkauft werden, ihre Gewinne nicht oder nur im Promillebereich versteuern. Wir brauchen ein neues und effektives Steuersystem für das digitale Zeitalter und treten hier für eine Änderung der internationalen Besteuerungsregeln und damit für eine weltweit einheitliche Definition der digitalen Betriebsstätte ein. Unser Anliegen ist es, eine gemeinsame EU-Position zur Besteuerung digitaler Umsätze zu erzielen, die dann im Rahmen der OECD bzw. G20 vertreten wird. Als Übergangslösung unterstützen wir die Einführung einer Ausgleichssteuer auf Basis des digitalen Umsatzes. Diese Übergangslösung sollte aber nach einiger Zeit evaluiert werden.

Beim Datenschutz ist es wichtig, abzuwägen: Es muss einerseits ausreichend determinierte Schutzregelungen in dem wichtigen Grundrechtsbereich geben, andererseits aber auch zukunftssichere Regelungen, die legitime Business-Modelle nicht behindern bzw. die europäische Industrie im globalen Umfeld nicht benachteiligen. Im Regierungsprogramm ist festgehalten, dass wir für Mediendienste eine E-Privacy-Ausnahmeregelung von der europäischen Datenschutzgrundverordnung anstreben, um keinen Wettbewerbsnachteil gegenüber US-Onlineunternehmen zu schaffen. An einer ausgewogenen Position arbeiten wir gerade intensiv auf europäischer Ebene mit den anderen EU-Mitgliedsstaaten.

5. Welche Bedeutung messen Sie kleinen und mittleren Unternehmen bei der Breitbandversorgung und beim Breitbandausbau in Österreich zu? Und durch welche Rahmenbedingungen können gleiche Entwicklungsmöglichkeiten und fairer Wettbewerb für alle Anbieter gesichert werden?

In der Breitbandinitiative haben wir geplant, bis 2020 eine nahezu flächendeckende Abdeckung mit 100 Mbit/Sekunde Verfügbarkeit zu erreichen, damit werden auch peripher gelegene Regionen ausreichend versorgt. Das ist fair, weil mit unserem Masterplan für Breitbandförderung jeder dieselbe Chance erhält. Damit ermöglichen wir auch hochwertige Arbeitsplätze in den Regionen und verhindern beispielsweise die Abwanderung von Arbeitskräften. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter können zudem flexibel von zu Hause arbeiten.

6. Wie sehen Sie den scheinbaren Widerspruch zwischen Sicherheit und Freiheit im Internet? Sollen Tätigkeiten und Inhalte im Internet noch stärker überwacht werden? Und muss man Ihrer Meinung nach bei einer Überwachung im Internet die Einschränkung der Grund- und Menschenrechte in Kauf nehmen?

Cyberkriminalität und generell die Nutzung des Internets für kriminelle Zwecke haben immer größeren Einfluss auf das subjektive Sicherheitsempfinden der Gesellschaft. Bei einer effektiven Kriminalitätsbekämpfung gilt es, eine kluge Kosten-Nutzen-Rechnung anzustellen. Die Grundrechte, wie das Recht auf Datenschutz und Privatsphäre, müssen weiterhin garantiert werden. Wir haben uns im Regierungsprogramm darauf geeinigt, dass es zu keiner massenwirksamen Überwachung kommen darf und ein Eingriff in die persönliche Rechtssphäre nur infolge eines begründeten Anfangsverdachts auf Basis einer richterlichen Genehmigung erfolgen darf. Die Bundesregierung wird das geplante Sicherheitspaket im Rahmen einer umfassenden Ausschussbegutachtung auf breiter Basis evaluieren. Man muss aber auch – neben entsprechenden technischen Schutzmaßnahmen – an die Selbstverantwortung und Achtsamkeit der Nutzerinnen und Nutzer im Netz appellieren und durch entsprechende digitale Bildungsmaßnahmen aufklären und unterstützen.

(c) BMDW/Ch.Lendl

7. Auf europäischer Ebene werden gerade Upload-Filter für Online-Plattformen und die Einführung von Leistungsschutzrechten diskutiert. Wie stehen Sie zu diesen Überlegungen?

Wir wollen faire Rahmenbedingungen für österreichische Medienunternehmen schaffen und den österreichischen Medienstandort im digitalen Zeitalter stärken. In diesem Zusammenhang ist die derzeit in Verhandlung stehende EU-Richtlinie über das Urheberrecht im digitalen Binnenmarkt von besonderer Bedeutung. Das darin geplante Leistungsschutzrecht soll die Rolle der Presseverleger gegenüber Online-Plattformen stärken. Presseverleger wären demnach in der Lage, Plattformen zu verbieten, auch kleine Teile ihrer Publikationen ohne Lizenz zugänglich zu machen. Die Bundesregierung unterstützt dieses Vorhaben. Falls eine Einigung auf europäischer Ebene nicht zu Stande kommt, werden wir eine nationale Lösung anstreben. 

Darüber hinaus wird bei der geplanten EU-Urheberrechts-Richtlinie gegenwärtig diskutiert, ob Internetdienste zu technischen Maßnahmen verpflichtet werden sollen, die verhindern, dass urheberrechtlich geschütztes Material widerrechtlich verfügbar gemacht wird. Dazu könnten etwa Filter-Technologien zum Einsatz kommen.

8. In Deutschland ist mit Jahresbeginn das Netzwerkdurchsetzungsgesetz in Kraft getreten. Wo sehen Sie die Vor- oder auch die Nachteile dieses Gesetzes und können Sie sich ein solches auch für Österreich vorstellen?

Die Verbreitung von Informationen, deren Inhalt unterhalb der Schwelle der Strafbarkeit liegt gesetzlich regeln zu wollen, ist nicht die Lösung. Auch in Deutschland ist das Gesetz sehr umstritten, weil es das Potenzial hat, das Grundrecht auf Meinungsfreiheit bzw. die Pressefreiheit massiv zu beschneiden. Der Weg muss sein, zwischen legaler und illegaler Desinformation zu unterscheiden. Das Verbreiten illegaler Inhalte wird ohnehin auf Basis bestehender Gesetze sanktioniert. Natürlich ist auch die Zivilgesellschaft gefragt, strafrechtlich relevante Inhalte zu melden. Ein gutes Instrument dafür ist etwa die Meldestelle „Stopline: Meldestelle gegen Kinderpornografie und Nationalsozialismus im Internet“.

Darüber hinaus befürworte ich „weichere“ Maßnahmen wie den grundsätzlichen Ausbau der Medienkompetenz. Schulungen und Sensibilisierungsmaßnahmen gegen Hate Speech oder das Vorstellen von Werkzeugen wie mimikama (https://www.mimikama.at/), um den Wahrheitsgehalt von News zu prüfen, wirken mittel- und langfristig nachhaltiger. Wir müssen hier auch die Zivilgesellschaft befähigen, selbstverantwortlich unterscheiden zu lernen und das Internet weise zu nutzen.

9. Medienkompetenz wird in Zusammenhang mit der Digitalisierung immer wichtiger. Mit welchen Maßnahmen könnte und sollte man diese aus Ihrer Sicht fördern?

Studien haben gezeigt, dass Österreich bei der Internetnutzung noch Aufholbedarf hat. Mit der Bildungsinitiative „fit4internet“, in deren Fokus Jugendliche, Senioren und Personen ab 45 plus stehen, planen wir für diese Zielgruppen kostenlose Basistrainings. Offliner, aber auch Personen, die das Internet bislang wenig nutzen, sollen dabei unterstützt werden, digitale Kompetenzen aufzubauen und internetfit zu werden. Wir wollen diese Personengruppen befähigen, neue Technologien im Privatleben und im Beruf erfolgreich einzusetzen und mit Tools und Applikationen umgehen zu können. Die Bildungsoffensive wird auch die Vermittlung von Kompetenzen beinhalten, um Informationen aus dem Netz auf ihren Wahrheitsgehalt prüfen zu können, sozusagen News von Fake News zu unterscheiden.

10. Ist Österreich für Start-ups ein eher schwieriges Pflaster? Werden hierzulande vielleicht das Selbstbewusstsein, die Überzeugung und der eiserne Wille, die man braucht, um eine Geschäftsidee zum Erfolg zu führen, missverstanden? Und haben sie konkrete Pläne zur Unterstützung dieser Jungunternehmerinnen und -unternehmer.

Gerade die Digitalisierung bietet die Chance, unnötige bürokratische Hürden abzubauen und längst überholte Prozesse zu reformieren – somit Unternehmensgründung auch wesentlich zu erleichtern. Es gibt pro Jahr 30.000 Neugründungen, hier soll der Prozess noch weiter vereinfacht werden. Eine Online-Unternehmensgründung soll künftig auch unter Einbindung des Notars möglich sein. Weiters ist es uns auch ein zentrales Anliegen, die KMUs im Rahmen der Digitalisierungsoffensive ans Netz zu bringen. Dabei sollen Mittelständler nicht nur unterstützt werden, ihre Produktionsprozesse elektronisch zu begleiten, sondern insbesondere dabei, das Internet für den E-Commerce einzusetzen. 

Digitalisierung bietet außerdem die Chance, unnötige bürokratische Hürden abzubauen und längst überholte Prozesse zu reformieren. Wir wollen die zahlreichen Informationsverpflichtungen für Unternehmer durchforsten und die Wahrnehmung von Meldeverpflichtungen wesentlich vereinfachen. Zu meldende Unternehmensdaten sollen – nach dem ‚Once Only’-Prinzip – nur mehr einmal abgegeben werden müssen. Darüber hinaus wollen wir auch die Betriebs-Anlagengenehmigungen erleichtern. 

Kurzum: Wir müssen es unseren Unternehmen ermöglichen, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren: Auf ihr Geschäft!