Ab 28. Juni müssen Unternehmen barrierefrei sein, andernfalls drohen Strafen. Während viele Websites bereits grundlegende Anforderungen erfüllen, fehlen oft barrierefreie Lösungen in den Geschäftsprozessen – vom Chatbot bis zur Paketzustellung. Gleichzeitig hat die Digitalisierung viele Barrieren abgebaut. Die ISPA, der Dachverband der österreichischen Internetwirtschaft, widmete dem Thema daher ihre diesjährige Fachtagung an der Universität Wien.
Stefan Ebenberger, der Generalsekretär der ISPA, sagte in seiner Eröffnung: „Die Digitalisierung hat entscheidend dazu beigetragen, Barrieren zu reduzieren. Online-Teilhabe ist heute auch für Menschen möglich, die im öffentlichen Raum oft auf Hindernisse stoßen. Digitale Informationen sind leichter zugänglich und mit der Umsetzung des Barrierefreiheitsgesetz wird echte Inklusion weiter vorangetrieben. Dies ist für die Unternehmen auch mit erheblichem Aufwand verbunden. Doch Inklusion ist der Internetbranche wichtig und sie trägt hier eine besondere Verantwortung – diese nimmt die Branche gerne wahr und ist ein Katalysator der Barrierefreiheit.“
Über Behinderungen in Geschäftsprozessen und das Umsatzpotenzial, das in Barrierefreiheit steckt
Die erste Keynote hielt Shadi Abou-Zahra, Principal Accessibility Standards and Policy Manager bei Amazon zum Thema Barrierefrei ist mehr als nur das Produkt: Wo sich die Behinderungen in Geschäftsprozessen verstecken. Er erklärte: „Barrierefreiheit ist keine Checkliste. Wir müssen breiter denken, auch bei den Geschäftsprozessen. Wir müssen eine Kultur der Barrierefreiheit entwickeln, um mit anstatt für Menschen mit Behinderung zu gestalten.“ In der anschließenden Diskussion mit Susanne Buchner-Sabathy (BSVÖ – Blinden und Sehbehindertenverband Österreich) und Simone Keglovics (Hutchison Drei Austria) wurde erörtert, was die Internetbranche bereits leistet – und welche Herausforderungen bei der Umsetzung des Gesetzes noch bestehen.
Die zweite Keynote widmete sich den wirtschaftlichen Chancen barrierefreier Angebote. Lena Öllinger, Ambassador for DisAbility Inclusion bei myAbility, sprach unter dem Titel Barrierefreier Umsatz: Wieso gutes Handeln auch gut fürs Geschäft ist. Sie betonte dabei: „Barrierefreiheit ist kein Nice-to-have, sondern ein klarer Wirtschaftsfaktor. Wer Produkte und Arbeitsplätze inklusiv gestaltet, gewinnt neue Kund:innen, stärkt das Vertrauen und schafft echte Teilhabe. Inklusion ist nicht nur ein Menschenrecht – sie ist ein Wettbewerbsvorteil.“ Bei der Diskussion im Anschluss über Barrierefreiheit als gesellschaftspolitische Verantwortung beleuchteten Öllinger, Andreas Jeitler (Alpe-Adria-Universität), Florian Slansky (Behindertenanwaltschaft) und Daniele Marano (Österreichischer Behindertenrat) unter anderem Barrierefreiheit am Arbeitsplatz und aktuelle Forschung zur Inklusion.
Barrierefreiheit nutzt früher oder später allen.
ISPA-Präsident Harald Kapper stellte fest: „Barrierefreiheit ist eine gesamtgesellschaftliche Verantwortung, und betrifft damit auch die Digitalbranche. Und letztlich kommt sie weit mehr Menschen zugute, als man meinen könnte: Eine leichter lesbare Website ist auch für Menschen ohne Sehbehinderung übersichtlicher. Einfachere Sprache erleichtert allen das Lesen. Und kaum jemand ist das ganze Leben lang frei von Einschränkungen, sei es durch Krankheit, Unfälle oder Alter. Barrierefreiheit nützt nicht nur einzelnen Gruppen – sie ist ein Gewinn für uns alle.“