Beim gestrigen ISPA Forum „ACTA – Was jetzt?“ diskutierten Experten und Publikum über Ursachen und mögliche Folgen des internationalen Antipiratierieabkommens ACTA. Als einen Knackpunkt in der Debatte rund um das Abkommen identifizierten die DiskutantInnen das nicht mehr zeitgemäße Urheberrecht. Dieses sei Stein des Anstoßes für die Proteste gewesen und müsse in Folge unbedingt den Bedürfnissen des digitalen Zeitalters angepasst werden. Das Abkommen habe aber auch grundlegende netzpolitische, rechtliche und gesellschaftliche Fragen aufgeworfen.
Im Rahmen der Eröffnung der Veranstaltung verdeutlichte ISPA Präsident Andreas Koman, warum das Abkommen für Internetanbieter problematisch ist: „Nach der aktuellen Fassung des ACTA-Abkommens können zur Durchsetzung des Urheberrechts ISPs als ‚Hilfssheriffs‘ zur Vollstreckung staatlicher Aufgaben in die Pflicht genommen werden. Die Aufgabe der ISPs ist es jedoch, die technischen Voraussetzungen für den Zugang zum Netz sicherzustellen. ISPs sollen aber nicht zur Analyse von Inhalten verpflichtet werden“, betonte Koman. Damit allen betroffenen Parteien gedient sei, müsse man ACTA als Anlass sehen, nun gemeinsam daran zu arbeiten, „das Urheberrecht internetfit zu machen“.
Auch Werner Müller, Geschäftsführer des Fachverbandes Film- und Musikindustrie, betonte, dass es bei ACTA vor allem um die Anwendung des Urheberrechts im Internet gehe. Müller führte aus, dass es seiner Branche um eine ausgewogene Regulierung gehe, die UserInnen und Anbieter der Filmwirtschaft gleichermaßen schütze. „Die Nachfrage nach hochwertigen Inhalten ist höher denn je. Das Geschäftsmodell der Filmwirtschaft - Produktion/ Verwertung/Verkauf - ist nicht obsolet“, betonte Müller.
Anders argumentierte Berny Sagmeister, Head of Digital Sales & Business Development bei EMI Music GSA: “Die Industrie ist sich voll und ganz bewusst, dass sich die jüngste Internetgeneration nie mehr gänzlich vom herkömmlichen Tauschmodell ‚Geld gegen Musik‘ überzeugen lassen wird.“ Deswegen gelte es neue Geschäftsmodelle zu finden: „Wir müssen einerseits freie, werbefinanzierte Services etablieren andererseits auch monetarisierte Geschäftsmodelle finden und entwickeln“, so Sagmeister.
ACTA sei in der Diskussion um Nutzungsrechte wenig hilfreich, denn der Schutz der Privatkopie sei durch ACTA keinesfalls gefährdet. Potentielle künftige Gefahren für die Industrie wie Stream Ripping würden durch ACTA wieder nicht abgedeckt werden.
Dass hinter dem komplexen juristischen Text des ACTA-Abkommens ganz fundamentale Fragen stehen, betonte Nikolaus Forgó, Professor am Institut für Rechtsinformatik der Universität Hannover. Durch ACTA wurden etwa die Frage nach der Durchsetzbarkeit von Immaterialgüterrechten und Urheberrechtsschutz, dem Datenschutz und individueller Freiheit aufgeworfen. ACTA gäbe auf viele dieser Fragen Antworten, die sehr auslegungsbedürftig seien. Gerade das sei auch ein Grund für Kritik: „Der Text ist öffentlich kaum diskutiert worden, hoch abstrakt und lässt Interpretationsspielräume zu. Mehr öffentliche Debatte des Textes wie der hinter ihm stehenden Werteentscheidungen ist dringend angezeigt“, betonte Forgó.
Dass nicht nur der Inhalt, sondern auch die Art und Weise des Zustandekommens des ACTA-Abkommens die massiven Proteste ausgelöst hätten, strich auch Markus Stoff von der Initiative Netzfreiheit in seinem Statement heraus. Die Anliegen der Zivilgesellschaft seien nicht berücksichtigt worden: „Das Internet hat einen gesellschaftlichen Wandel ausgelöst, der mit den einseitigen und veralteten Gesellschafts- und Geschäftsmodellen im Urheberrecht nicht mehr in Einklang zu bringen ist. Wir meinen daher, nicht der gesellschaftliche Wandel, sondern das von nicht mehr zeitgemäßen Prämissen ausgehende Urheberrecht muss entsprechend adaptiert werden“, so Stoff.
Einigkeit zwischen Publikum und Podium herrschte darin, dass ACTA der Anstoß zu weiteren grundlegenden Diskussionen über netzpolitische, juristische und gesellschaftliche Fragestellungen gewesen sei: „ACTA wird noch lange nachwirken“. Im Anschluss an den offiziellen Teil der Veranstaltung diskutierten die TeilnehmerInnen des ISPA Forums noch intensiv die während der Diskussion aufgestellten Thesen.
Mag. Edith Michaeler
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