Die Überwachungsskandale, die derzeit die Medien beherrschen, zeigen Auswirkungen auf die Betroffenen. Reagiert ein großer Teil der amerikanischen oder der französischen Bevölkerung auch nach wie vor mit einem Schulterzucken, so formiert sich in Europa doch eine breite Front von Nutzerinnen und Nutzern, die ihrer Empörung über die durch keinerlei Recht gedeckte grobe Verletzung ihrer Privatsphäre Ausdruck verleihen und Konsequenzen fordern. „Die Überwachung ist aus dem Ruder gelaufen und verwundert in ihrem Umfang sogar die Politiker. Dass diese dafür zumindest teilweise die Basis geschaffen haben, indem sie Gesetze einfach abnicken, ohne sich im Detail mit deren Konsequenzen auseinanderzusetzen, ist ihnen scheinbar nicht bewusst“, empört sich Maximilian Schubert, Generalsekretär der ISPA.
Ein Beispiel dafür ist die Vorratsdatenspeicherung (VDS), die derzeit vor dem Europäischen Gerichtshof verhandelt wird und aus Sicht der ISPA einen verfassungswidrigen Eingriff in die Privatsphäre der Nutzerinnen und Nutzer darstellt. Die ISPA hat sich immer gegen die Einführung der anlasslosen Speicherpflicht ausgesprochen und auch nach deren Umsetzung intensiv daran gearbeitet Mängel aufzuzeigen und Verbesserungen vorzuschlagen. „Wir sind der Ansicht, dass die Verfolgung schwerer Strafdaten auch mit gelinderen Mitteln wie beispielsweise „quick Freeze“ den gleichen Erfolg haben kann“ kritisiert Schubert. „Die verdachtslose Datenspeicherung von unbescholtenen Nutzerinnen und Nutzern schießt jedenfalls weit über das Ziel hinaus. Speziell die Verpflichtung Vorratsdaten für sämtliche Delikte ohne richterlichen Beschluss beauskunften zu müssen, ist für uns nicht akzeptabel.“
Die Vorratsdatenspeicherung hat aber auch mächtige Unterstützer. So haben die Vertreter der Verwertungsindustrie im Rahmen der Urheberrechtsnovelle mit ihrer Forderung nach Zugriff auf die Vorratsdaten gezeigt, dass sie hier – mit Ausnahme der Austrian Director’s Association, die sich im Rahmen der Verhandlungen Ende letzten Jahres ausdrücklich dagegen ausgesprochen hat - keine Skrupel haben. Statt sich mit der Realität des Internets auseinanderzusetzen und für ein Mehr an legalen Inhalten zu sorgen, wählen sie den Weg, die Grundrechte der Nutzerinnen und Nutzer mit Füßen zu treten und die Nutzung von Vorratsdaten zur Verfolgung von Filesharern zu fordern.
PRISM und andere Datenskandale sorgen aber nicht nur für Empörung, sondern haben auch das Vertrauen der Userinnen und User erschüttert. Das Vertrauen auf ihre Rechte im Internet, generell das Vertrauen auf den Schutz der Privatsphäre aber auch das Vertrauen in die Politiker. „Das kann und wird Auswirkungen auf die Verwendung dieser wichtigen Kulturtechnik – also die tägliche Internetnutzung – haben“, befürchtet Schubert. „Und es ist jetzt an der Politik für Schadensbegrenzung und eine Wiederherstellung des Vertrauens zu sorgen.“
Die Politik muss also nach Ansicht der ISPA in die Pflicht genommen werden, das verlorene Vertrauen wieder herzustellen. Vertrauen kann aber – wieder am Beispiel der Vorratsdatenspeicherung - nur entstehen, sofern nachvollziehbar gemacht wird, wofür auf Verkehrsdaten von Nutzerinnen und Nutzer zugegriffen werden darf. Hierfür sind klare Statistiken notwendig, in der die Rechtsgrundlage, das jeweilige Delikt und die Anzahl sämtlicher übermittelter Datensätze aufscheinen. „Nicht die Anzahl der „Briefumschläge“, die eine Behörde an Internet-Anbieter schickt, soll gezählt werden, viel wichtiger ist, wie viele Datensätze in Folge der Anordnungen vom Anbieter beauskunftet werden mussten“, erklärt Schubert.
Eine derartige Statistik ist unerlässlich um darzulegen, ob ein Eingriff wie die VDS grundrechtskonform ist oder nicht. Die in der Antwort der Ministerien auf eine parlamentarische Anfrage angekündigte Erstellung einer zentralen Statistik zeigt, dass der ursprüngliche Plan des Ludwig Boltzmann Instituts für Menschenrechte zur Implementierung einer zentralen Übermittlungsstelle ein Schritt in die richtige Richtung war. Nun liegt die Verantwortung bei der Politik den Weg entschlossen zu Ende zu gehen und wirklich Statistiken bereit zu stellen, die sämtliche Beauskunftungen klar darlegen. Selbst dann, wenn die so erhaltenen Ergebnisse nicht den Vorstellungen der Politik entsprechen. „Der Staat ist nicht nur verpflichtet seine Bürgerinnen und Bürger vor Strafdaten zu schützen, sondern auch dafür zu sorgen, dass Grundrechte eingehalten werden“, meint Schubert abschließend.