Vor dem Europäischen Gerichtshof wird in den nächsten Wochen ein Verfahren abgeschlossen, das wahrscheinlich ein richtungsweisendes Urteil für die von der Urheberrechtsindustrie geforderten Netzsperren mit sich bringen wird. Anlass für dieses Verfahren ist der Fall kino.to, bei dem Rechteinhaber erwirkt haben, dass ein österreichischer Internetprovider seinen Kunden den Zugang auf diese Webseite, auf der illegal urheberrechtlich geschützte Inhalte zugänglich gemacht wurden, sperren musste.
Am 26.11.2013 wurden die Schlussanträge des Generalanwalts in dem vor dem EuGH anhängigen Verfahren veröffentlicht. Laut diesen können von einem Provider konkrete Sperrmaßnahmen gegen eine konkrete Website verlangt werden. Wenn der Gerichtshof in Luxemburg sein Urteil - wie in den meisten Fällen - an diesen Schlussantrag anlehnt, sieht Maximilian Schubert, Generalsekretär der ISPA, düstere Zeiten auf die Internetwirtschaft zukommen.
Die Verpflichtung in den Datenverkehr ihrer Kunden einzugreifen wäre eine folgenschwere Änderung für jeden Provider: In der Praxis müsste dieser bei jedem Abmahnschreiben überprüfen, ob dieses zu Recht erfolgt, und gegebenenfalls für seine Kunden den Zugang zur betroffenen Website sperren. Weigert er sich, geht er ein beträchtliches Risiko ein. „Wir lehnen es nach wie vor ab, dass Provider in die Rolle von Hilfssheriffs gedrängt werden. Speziell in Österreich gibt es zahlreiche kleine und mittlere ISPs, die man mit einer rechtlichen Beurteilung solcher oftmals sehr komplizierten Fälle schlicht überfordert“, erläutert Schubert ein Grundproblem. „Da es aber für viele dieser Unternehmen schon aus finanzieller Sicht ein immenses Risiko darstellt sich laufend auf Prozesse mit unsicherem Ausgang einzulassen, besteht die Gefahr, dass auch Sperren durchgeführt werden, die rechtlich nicht gedeckt sind. Und genau das will niemand.“
Erfolgt eine Sperre zu Unrecht, hat das natürlich auch Folgen für den Provider. „Die in Deutschland mittlerweile gewaltige und nun auch in Österreich drohende Abmahnindustrie kann sich jedenfalls zurücklehnen, das Risiko liegt eigentlich immer beim ISP. Darüber hinaus kann die Beurteilung der Rechtmäßigkeit von angeblichen Urheberrechtsverstößen auch nicht die Aufgabe von ISPs sein – egal wie groß sie sind“, kritisiert Schubert, der in den Schlussanträgen einen starken Fokus auf die Interessen der Urheber sieht und die Wahrung der Rechte der Internet-Nutzerinnen und –Nutzer vermisst. „Dass sich die europäische Rechtsprechung in Zeiten von NSA und Spionage in Richtung Netzsperren und Filter bewegt, ist gleichermaßen bedenklich wie bedauerlich“, resümiert Schubert.