Seit beinahe acht Jahren sind die österreichischen Access-Provider in zahlreiche Gerichtsverfahren involviert, da die Zulässigkeit von Netzsperren bei Urheberrechtsverletzungen nach wie vor gesetzlich unklar geregelt ist. Ging es dabei anfangs nur um grundlegende Fragen des Urheberrechts, ist die Sache seit Inkrafttreten der Telecom Single Market-Verordnung um eine weitere Facette reicher und komplizierter geworden. In dieser EU-Verordnung sind die Grundzüge der Netzneutralität verankert, die Betreiber grundsätzlich zur Gleichbehandlung des gesamten Datenverkehrs verpflichtet. Das Blockieren einer Webseite muss gemäß der Verordnung entweder durch klare Kriterien in einem Gesetz vorgegeben sein oder durch eine richterliche bzw. behördliche Entscheidung eindeutig angeordnet werden.
Die Praxis in Österreich sieht derzeit leider anders aus. Vertreter der Rechteinhaber schicken Sperraufforderungen an die Betreiber, berufen sich dabei auf Urheberrechtsverletzungen und zwingen die Provider quasi in die Richterrolle. Diese müssen selbst beurteilen, ob eine Sperre gerechtfertigt und zulässig ist und geraten dabei stets in ein Dilemma: Sperren sie die angegebenen Seiten „auf Zuruf“, riskieren sie gegen die Netzneutralität zu verstoßen, sperren sie nicht, müssen sie sich bei jeder Sperraufforderung auf einen neuerlichen, teuren Rechtsstreit einlassen. Alternativen dazu gibt es derzeit nicht. Mittlerweile fordern Rechteinhaber von den betroffenen Providern zusätzlich auf deren Kosten Einschaltungen in zahlreichen Medien, um auf diese Weise das kritisch dargestellte Bild der Netzsperrenproblematik ins „rechte Licht“ zu rücken. Die Betreiber können diese Forderung nicht nachvollziehen, da aus ihrer Sicht stets transparent über diese Causa berichtet wird. So verweisen Sie auf ihren Webseiten auf gerichtliche Entscheidungen, die sie zu Sperren verpflichten. Und auch die ISPA informiert regelmäßig über Urteile wie beispielsweise jenes des OGH im letzten Herbst, wonach Sperraufforderungen gegen BitTorrent-Plattformen, die Urheberrechtsverletzungen technisch erleichtern und fördern, als zulässig beurteilt wurden.
„Seit mehr als zwei Jahren versuchen wir schon mit den involvierten Interessensverbänden und dem zuständigen Ministerium eine Lösung zu finden, die einerseits die Rechte der Kunstschaffenden wahrt und auf der anderen Seite die Provider nicht in die Rolle eines Richters drängt“, beklagt Maximilian Schubert, Generalsekretär der ISPA. „Die Kompromissbereitschaft der Vertreter der Rechteinhaber hielt sich dabei bisher in überschaubaren Grenzen. Jetzt erhöhen sie den Druck massiv und fordern kostspielige Veröffentlichungen, welche die Betreiber als Strafe dafür sehen, dass sie sich seit vielen Jahren für Rechtssicherheit im Sinne ihrer Kundinnen und Kunden einsetzen.“
Da eine eindeutige gesetzliche Regelung nach wie vor nicht in Sicht ist, wenden sich die Provider nun mit der Frage der Vereinbarkeit von Netzsperren mit der Netzneutralität an den Telekom-Regulator und hoffen so zumindest in dieser Frage Rechtssicherheit zu erhalten. „Wir führen mittlerweile seit fast acht Jahren Prozesse im Interesse der Nutzerinnen und Nutzer sowie der Rechtsstaatlichkeit und fühlen uns vom Gesetzgeber im Stich gelassen. Jetzt hoffen wir, dass die Regulierungsbehörde hier eine klare Antwort gibt. Denn aus unserer Sicht kann und darf die Beurteilung der Rechtmäßigkeit nicht an Unternehmen ausgelagert werden“, erklärt Schubert diesen Schritt.