Die ISPA, der Dachverband der österreichischen Internetwirtschaft, zeigt sich von der Entscheidung des EuGH zur Vorratsdatenspeicherung alarmiert: „Der EuGH hat hier eine unerwartete und unverständliche Kehrtwende hingelegt“, sagt Stefan Ebenberger, der Generalsekretär der ISPA. „Nach mehreren Grundsatzurteilen, dass die anlasslose Speicherung von IP-Adressen einer Massenüberwachung gleichkommt und damit unzulässig ist, soll diese plötzlich doch grundrechtskonform sein. Hier stellt sich die Frage, inwieweit die Bestrebung, diese Entscheidungen zu umgehen, sich in dieser Entscheidung widerspiegelt.“
Ebenberger stellt fest: „Es zeigt sich, dass Grundrechte nicht vom Prozess der Interessenabwägung ausgenommen sind und auch in Demokratien immer wieder verteidigt werden müssen. Jetzt ist die österreichische und europäische Politik gefordert, den überzogenen Überwachungsbegehren der verschiedenen Interessengruppen eine Absage zu erteilen. Denn das Internet spielt heute eine so große Rolle für unser aller Leben, dass eine anlasslose Überwachung in keinem Verhältnis zu den Eingriffen in wesentliche Grundrechte wie dem Recht auf Privat- und Familienleben, Fernmeldegeheimnis und Datenschutz steht und eine Gefahr für die liberale Demokratie darstellt.“
ISPA-Generalsekretär Ebenberger warnt vor falschen Hoffnungen bei der Strafverfolgung: „Ein immer größerer Heuhaufen hilft bei der Suche nach der Nadel nicht.“
Dabei stimmt das immer wieder vorgebrachte Argument der Strafverfolgung nur bedingt: „Die Bedürfnisse der Strafverfolgungsbehörden sind verständlich, aber primär braucht es mehr Ressourcen und technisches Know-how, um die bereits vorhandenen Daten effektiv auswerten zu können. Ein immer größerer Heuhaufen hilft bei der Suche nach der Nadel nicht“, sagt Ebenberger. Und für die Zukunft stellt er klar: „Die österreichischen Internet Service Provider werden, wie auch in der Vergangenheit, für eine vertrauensvolle Zusammenarbeit zur Verfügung stehen. Allerdings werden diese immer den Schutz der Grundrechte einmahnen.“
Die ISPA warnt in diesem Zusammenhang: Eine verdachtsunabhängige Protokollierung von IP-Adressen würde einen Datenfriedhof erzeugen, der in weiterer Folge immer mehr Begehrlichkeiten zum Zugriff auf die gesammelten Daten nach sich ziehen würde. Dies würde auch zahlreiche Maßnahmen im Sinne des Datenschutzes ihrer Benutzer:innen konterkarieren und eine Gefahr für diese darstellen.
Im Übrigen ist die im Urteil als Voraussetzung gesehene „strikte Trennung“ von Internetkennungen und sonstigen Nutzerdaten in der Praxis kaum umsetzbar und zeigt, dass es noch mehr Digital-Know-how braucht. Die ISPA sieht das aktuelle Urteil daher auch als Auftrag, weiter über die Problematik einer solchen Forderung aufzuklären und die EU zu keinem Zentrum der Massenüberwachung ihrer Bürger:innen werden zu lassen.